3 Milliarden Euro – soviel hat der Bau des Large Hadron Collider (LHC) am CERN in Genf gekostet. Größtenteils natürlich aus Steuergeldern finanziert. Mal ganz abgesehen von den laufenden Kosten – und mal ganz abgesehen davon, dass der LHC nur eines unter vielen Großprojekten in der physikalischen Forschung ist, das durch Steuergelder finanziert wird.
Früher begnügten sich die Physiker noch mit bescheidenen Budgets und erarbeiteten mit ihnen Geniestreiche. Ein Newton, ein Faraday, die Curies oder ein Einstein brauchten für ihre genialen Einfälle und Entdeckungen noch keine milliardenteuren Versuchsaufbauten wie LHC oder das jüngst in die Schlagzeilen gekommene Laser-Interferometer Gravitationswellen-Observatorium (LIGO). Und sie erarbeiteten ihre Theorien im „stillen Kämmerlein“ – meistens ganz allein. Die heutigen Großprojekte beschäftigen hunderte bis tausende von Wissenschaftlern. Ihre Ausbeute hingegen ist äußerst mager.
Teure Leichtgewichte
Fragen Sie ruhig, wie es um die Ergebnisse solcher Großprojekte bestellt ist.
Die Rohdaten, die beispielsweise am CERN produziert wurden, sind sofort gefiltert („Trigger“) und dann weggeworfen worden. Kein Mensch kann also nachträglich prüfen, ob die Filter gut funktioniert haben.
Oder die vielen Großprojekte, mit denen Neutrinos nachgewiesen werden sollen: Die theoretischen Interpretationsmöglichkeiten sind hier so vielfältig und willkürlich, dass Sie mit Recht von einer Farce sprechen können.
Und wie steht es um das LIGO? Die Behauptung des Projektleiters auf der Pressekonferenz am 11.02.2015 war: „Wir haben Gravitationswellen gefunden.“ Aber auch hier muss das Signal aus um ein Vielfaches stärkeren Störsignalen herausgefiltert werden. Außerdem fehlte zur genauen Richtungsbestimmung des Signals noch ein dritter Detektor – der war gerade außer Betrieb weil er aufgerüstet wird.
Jenseits der Sensation: Was bleibt?
Natürlich wäre die Messung von Gravitationswellen interessant und es wäre eine revolutionäre Sache, wenn Forscher neue Elementarteilchen entdecken würden. Die echten Revolutionäre arbeiteten trotzdem anders – sie suchten nicht krampfhaft nach etwas sondern eines: ehrliche Neugier. Und sie hatten eine Vision von der Einheitlichkeit der Naturgesetze, die heute völlig verloren gegangen ist.
Im Vergleich dazu scheinen Physiker von heute Strohfeuer zu entfachen – und ein wenig auf den Nobelpreis zu schielen.
Ist der Erfolgsdruck zu groß?
Aber wieso lehnen die heutigen Physiker sich so weit aus dem Fenster?
Nun, es liegt eigentlich auf der Hand: Die Milliarden investierter Steuergelder lassen ihnen keine Ruhe. Und es geht ja durchaus nicht nur um den Bau der Versuchsanlagen. Ihr Betrieb ist so teuer, dass jeder Tag den Druck weiter steigen lässt. Würden sie offenbaren, dass sie sich ihrer Ergebnisse nicht sicher sein können, wäre das eine – gelinde gesagt – unbequeme Position und eine fast aussichtslose Startposition für das nächste Großprojekt. Unter diesem Druck wissenschaftlich gradlinig zu bleiben, ist nicht immer einfach.
Unter dem Strich: Was bleibt?
Trotzdem müssen Großprojekte nicht notwendigerweise sinnlos sein. Nur sollten sie eben ergebnisoffen sein, anstatt irgendeiner langjährigen Suche gewidmet. Positive Beispiele wie Gaia gibt es. Und dabei werden auch die Rohdaten gespeichert und veröffentlicht. Ohne Transparenz gibt es keine Wissenschaft.
Vor allem aber müssten sowohl die Forscher als auch die Geldgeber (indirekt also Sie und ich) ihre Erwartungen an die Ergebnisse relativieren. Es sollte klar sein, dass nach einem Großprojekt immer weitere Kosten für Folgeprojekte anstehen. Irgendwann nährt sich eine ganze Forschungsindustrie davon – und das ist eben doch etwas ganz anderes als die Art und Weise, wie Newton, Faraday und Einstein die Welt verändert haben.
Sensationen sind eben leicht produziert, Erkenntnisgewinn aber nicht.