Manchmal glauben Forscher etwas nur deshalb, weil die Annahmen, auf denen dieser Glaube beruht, alt genug sind. Ein treffendes Beispiel ist die Idee der Expansion des Universums:
Als Einstein 1917 das Universum mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie beschrieb, ging er selbst noch von einem statischen Universum aus. Die heute allgemein anerkannte Idee der Expansion kam erst später ins Spiel, nämlich durch den amerikanischen Astronom Edwin Hubble. Er interpretierte die damals neuen Messergebnisse, die nachwiesen, dass die Spektrallinien des Lichts von weit entfernten Galaxien ins Rote, also in Richtung größerer Wellenlängen verschoben waren, als eine Form des Dopplereffekts: Die Objekte müssten sich demnach von uns entfernen. Die Rotverschiebung war entdeckt und gedeutet. Und die Deutung lautete: Das Universum dehnt sich aus.
Expansion? Lasst uns mal nachmessen!
Als diese Annahme etwa 80 Jahre alt war, entdeckten Forscher eine bedeutungsvolle Ungereimtheit in ihren Messdaten: Durch die enorme Leistungsfähigkeit des fantastischen Hubble-Weltraumteleskops konnten in den 1990ern große Mengen der seltenen Supernova-Explosionen beobachtet und ausgemessen werden. Diese Phänomene lassen unter anderem relativ genaue Entfernungsmessungen zu. Sie geben uns also, grob gesprochen, die Gelegenheit, die Genauigkeit beim Vermessen des Universums erheblich zu verbessern. Die Forschergruppen, die das erreichten, erhielten völlig zu Recht 2011 den Physik-Nobelpreis.
Allerdings: Die Daten, die sie gesammelt hatten, stimmten überhaupt nicht mit dem allgemein akzeptierten Standardmodell der Kosmologie überein! Weit entfernte Supernovae leuchteten schwächer, als das Modell des expandierenden Universums voraussagte.
Also was tun? Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder vereinfachen oder verkomplizieren. Vereinfachen bedeutet: Da das theoretische Modell offenbar im Kern nicht stimmt, muss es hinterfragt werden, um ein Modell zu finden, das die Realität besser abbildet. Verkomplizieren bedeutet: Man fügt dem Modell einfach solange neue Gleichungen und theoretische Anhängsel hinzu, bis es wieder passt. Die meisten Wissenschaftler neigen in solchen Zweifelsfällen zur letzteren Methode. Auch wenn die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass sie selten Recht behalten.
Die Lösung liegt im Dunkeln
In diesem konkreten Fall hätte man im Sinne der Vereinfachung eigentlich die Interpretation der beobachteten Rotverschiebung als eine Art Dopplereffekt hinterfragen müssen: Stimmt es vielleicht gar nicht, dass im Universum eine Expansion stattfindet? Aber die Annahme war ja schon 80 Jahre alt, also konnte sie ja wohl nicht falsch sein!
Stattdessen fügten findige Wissenschaftler im Sinne der Verkomplizierung eine ominöse, „beschleunigende“ Kraft ein: Die Idee der „dunklen Energie“, die die Expansion des Universums verstärken soll, wurde eingeführt und in Mathematik gegossen. So stimmten die gemessenen Daten wieder ganz gut mit der Theorie von der Expansion überein. Auch wenn damit neue, mit nichts begründete, gleichsam „künstliche“ Konstanten in die Gleichungen eingefügt werden mussten und natürlich auch neue theoretische Fragen aufgeworfen wurden, an denen die Kosmologie heute noch knabbert.
Der Witz an dieser Sache ist: Die Messdaten stimmen hervorragend mit dem Modell eines Universums überein, das keinerlei Expansion erfährt, sondern statisch ist. Und die Theorie der Expansion fußt ja alleine auf der Interpretation der Rotverschiebung als Dopplereffekt „fliehender“ Materie.
Was wäre, wenn die Rotverschiebung eine ganz andere Ursache hat?
Diese Frage sollten wir stellen dürfen. Aber wenn Sie das tun, dürfen Sie eines ganz sicher erwarten: einen Sturm der Entrüstung!
Übrigens gibt es eine sehr plausible alternative Erklärung für die Rotverschiebung. Sie geht sogar auf Einstein selbst zurück und wurde 1957 von Robert Dicke ausformuliert. In meinem Buch „Einsteins verlorener Schlüssel“ erkläre ich diesen heute vergessenen Ansatz genauer.