DIE STRINGTHEORIE: EIN MENÜ OHNE PREISANGABE

Ein Premium-Black-Angus-Steak bestellen, einen neuen Ferrari zu Weihnachten kaufen, eine Weltraumreise buchen – das klingt in der Theorie ganz gut. Wenn da nicht der Preis wäre.

Jeder, der ein bisschen Menschenverstand besitzt, weiß: Um eine Sache zu bewerten, ist die Kenntnis der Zahlen unabdingbar. Eine Relation, die manche Wissenschaftler wohl außer Acht lassen.

Denn Theorien, die ohne messbaren Zahlenwert präsentiert werden, sind einfach nicht glaubhaft! Die Wissenschaftler überprüfen diese Theorien sonst im Experiment nie konkret – und bei jedem Misserfolg stehen Ausflüchte offen.

Ein neues Elementarteilchen ohne Vorhersage der Masse sollten Sie sich also von einem Theoretiker ebenso wenig servieren lassen wie ein exquisites Menü ohne Preisangabe.

Lassen Sie sich nicht alles auftischen!

Denn was Ihnen der Kellner mit der Stringtheorie auftischen möchte, hat eigentlich nichts mit Physik zu tun. Diese Wissenschaft basiert nun mal auf Messen. Sie sollten ausrechnen können, wieviel ein Glas Wein und ein Steak am Ende kosten.

Bezeichnend ist zum Beispiel, dass die Stringtheorie in einem anerkannten Lehrbuch der Elementarteilchenphysik mit ganzen vier Zeilen erwähnt wird – in den vergangenen dreißig Jahren wurde eben kein einziges Problem durch diese Gedankenspielchen auch nur ansatzweise gelöst. Dennoch bleibt öffentlicher Widerspruch selten, und selbst die erklärten Gegner der Stringtheorie scheinen sich mit ihr zu arrangieren.

So hat etwa Lee Smolin, dessen Buch „Die Zukunft der Physik“ an Kritik nichts zu wünschen übrig lässt, inzwischen einen furchtsam anmutenden Relativierungsbrief auf seine Homepage gestellt und forscht einträchtig mit einer Reihe von Stringtheoretikern am Perimeter-Institut, dem Aushängeschild der Theoretischen Physik in Kanada.

Loop Quantum Gravity schmeckt wie Stringtheorie …

Manche Physiker möchte man fragen, ob sie als Arzt in einer Klinik arbeiten würden, die auch Handleser und Geistheiler beschäftigt. Sicher ist nur, dass die Physik – sie ist der Patient – nicht gefragt wird. Smolins eigenes Fachgebiet, die Loop quantum gravity oder „Schleifenquantengravitation“, ist übrigens ebenso abgehoben wie die Stringtheorie, und ihre Vorhersagen sind reine Feigenblätter jenseits aller experimentellen Überprüfbarkeit.

Insofern war das oft in Szene gesetzte Duell zwischen Strings und Loops immer schon uninteressant – wissenschaftlich sind beide nicht satisfaktionsfähig. Daher tendiert man in den deutschen Filialen der transatlantischen Trendsetter neuerdings wieder zum Konsens: Die Schleifenquantengravitation wird von Stringtheoretikern als „ernst zu nehmende Konkurrentin“ gewürdigt, während sich Vertreter der Loops mit der Idee anbiedern, die Ansätze müssten vielleicht eines Tages vereint werden.

Was würde Einstein sagen?

Gegenseitige Gastaufenthalte an den Hohepriester-Instituten in den USA begründen dabei wissenschaftliche Laufbahnen, deren Sahnehäubchen darin bestehen, von einem Nobelpreisträger öffentlich beim Vornamen gerufen zu werden.

Mit den Messproblemen aber, die Albert Einstein, Erwin Schrödinger und Paul Dirac bewegten, haben Stringtheorie und Loop quantum gravity nicht das Geringste zu tun.

Vielleicht zählen Lee Smolin und die anderen Theoretiker ja zu den Glücklichen, die überhaupt nie auf den Preis, also das Messbare, schauen müssen. Auch nicht bei Premium-Black-Angus-Steaks.

KANN DUNKLE MATERIE MIT GRAVITATIONSWELLEN AUFGESPÜRT WERDEN?

(Bild: Max-Planck-Institut für Kernphysik)

Ein Artikel des Standard hat offenbar soviel Interesse geweckt, dass mich ein sehr beschäftigter Herr unter meinen Lesern darauf aufmerksam machte – Grund, sich das näher anzusehen!

Im Artikel wird die These vertreten, ein exotischer Materiezustand einer leichten, noch unbekannten Teilchensorte, die sich zum Beispiel in einer Galaxie tummelt, könnte dazu führen, dass durchgehende Gravitationswellen verlangsamt werden. Durch diese Zeitverzögerung könne man möglicherweise Dunkle Materie mit zukünftigen Gravitationswellen-Teleskopen nachweisen. Klingt nach einer spannenden Perspektive.

Denkt man allerdings an die Beobachtungspraxis, stellt sich sofort die Frage, wie denn die Laufzeitverzögerung den gemessen werden soll – man hat ja keine unabhängige Information über die Entferung der Quelle! Eine zu Gravitationslinsen analoge Messung, bei der entfernte Galaxien Hintergrundlicht fokussieren, scheitert schon daran, dass bisher registrierbare Gravitationswellen von singulären Ereignissen stammen, ganz abgesehen von der nicht existenten Winkelauflösung der derzeitigen Detektoren… es steckt als schon eine Menge Optimismus in dieser “Nachricht”, subtil erkennbar an dem Eingeständnis, die Wissenschaftler seien überzeugt, mit dieser Methode nach Dunkler Materie “fahnden” zu können. Wir wollen sie – 85 Jahre nach ihrer postulierten Existenz – endlich zu fassen bekommen!

Viel schlimmer, und bezeichnend für den heutigen Wissenschaftsbetrieb, sind jedoch die unbegründeten Annahmen und methodischen Zirkelschlüsse, welche die sensationsheischende Meldung transportiert. Bei genauerem Hinsehen sagt sie nämlich nichts quantitatives vorher, sondern lediglich einen von vielen beliebig konstruierbaren Mechanismen, mit denen man Beobachtungen als Dunkle Materie interpretieren kann. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die Gravitationswellen zu dieser theoretischen Trittbrettfahrt genutzt würden. Wie so oft in der Physik werden hypothetische Effekte postuliert, mit denen man Widersprüche zu den bekannten Gesetzen entschuldigen kann, anstatt diese Gesetze grundlegend zu reflektieren. Wer zum Beispiel Thomas Kunhn’s Buch Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen” gelesen hat, weiß auf welche schiefe Bahn der Komplizierung die Physik auf diese Weise immer wieder gerät. 

An diesem Beispiel zeigt sich leider wieder einmal, dass in Ihrem Fach hochqualifizierte Experten sich zwar im Labyrinth ihres Spezialgebietes zurechtfinden, aber in der freien Wildbahn fundamentaler Physik, wo es auf methodisch-historische Kenntnisse und gesunden Menschenverstand ankäme, eher unbeholfen agieren.

Eine weiterhin nachdenkliche :-) Adventszeit mit entspechender Erleuchtung ohne Dunkle Substanzen wünscht Ihnen allen

Alexander Unzicker

WIEVIEL PSYCHOLOGIE STECKT IN DER PHYSIK?

Wieso gilt eine wissenschaftliche Theorie eigentlich als richtig oder falsch? Wenn Sie glauben, dass es dabei nur darauf ankommt, ob physikalische Beweise oder Gegenbeweise vorliegen oder nicht, muss ich Sie enttäuschen. Das ist nur die halbe Wahrheit.

Den Rest finden Sie im Reich der Psychologie …

Anerkennung dringend gesucht!

Die Geschichte Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie beispielsweise ist voller Emotionen und spektakulärer Beweismittel – aber ob daraus die richtigen Schlüsse gezogen wurden, steht buchstäblich in den Sternen.

Als Einstein zwischen 1912 und 1915 im Ringkampf mit der Mathematik seiner berühmten Theorie Schritt für Schritt immer näher kam, war das eine enorme gedankliche Leistung – und harte Arbeit. Er schrieb: „Ich beschäftige mich jetzt ausschließlich mit dem Gravitationsproblem. Das eine ist sicher, dass ich mich im Leben noch nicht annähernd so geplagt habe. Rauchen wie ein Schlot, arbeiten wie ein Ross, Essen ohne Überlegung und Auswahl, Spazierengehen leider selten, schlafen unregelmäßig.“

Gegen Ende 1915 wurde der Stress umso größer, als Einstein klar wurde, dass der berühmte Mathematiker David Hilbert auf seine Ideen aufmerksam geworden war. Ab sofort war Einstein getrieben von der Angst, dass der brillante Hilbert ihm noch zuvorkommen könnte beim Aufstellen der Gleichungen, die später als „Einsteinsche Gleichungen“ in die Geschichte eingehen sollten.

Mit den Gleichungen war Einstein praktisch am Ziel. Er war von der Richtigkeit seiner Berechnungen überzeugt und konnte vor Herzklopfen nicht schlafen, als er mit seiner Theorie eine beobachtete Anomalie der Umlaufbahn des Merkur um die Sonne korrekt berechnen konnte. Aber dennoch stand noch die offizielle, allgemeine Anerkennung aus. Der Ritterschlag fehlte noch. Und den konnte damals nur die führende Institution von Wissenschaftlern jener Zeit, die Royal Society in London vergeben. Auch wenn vermutlich keiner der Mitglieder die Einsteinsche Relativitätstheorie überhaupt verstand!

Was fehlte, war jedenfalls eine unabhängige Bestätigung seiner Theorie, ein Beleg, der von der Royal Society anerkannt wurde. Etwa fünf Jahre lang versuchten mehrere Wissenschaftler, die Relativitätstheorie durch Messungen von Naturphänomenen zu belegen oder zu widerlegen. Z.B. durch die Messung der Ablenkung von Sternenlicht durch die Gravitation unserer Sonne. Das war jedoch nur bei einer totalen Sonnenfinsternis möglich.

Der Moment, ab dem Einstein recht hatte

Der erste Weltkrieg machte es damals nicht leicht, auf dem Globus umherzureisen, um geeignete Sonnenfinsternisse zu vermessen. Da wurden auch schon mal Wissenschaftler als feindliche Spione festgesetzt, weil ihre merkwürdigen Messinstrumente Verdacht erregten – so passierte es dem Astronomen Erwin Freundlich auf der Krim 1914!

Aber Ende 1919 war es dann soweit. Dem jungen britischen Physiker Arthur Eddington gelang eine Expedition zu den abgelegenen Orten Sobral in Brasilien und Principe vor der westafrikanischen Küste. Zunächst störte das schlechte Wetter die Messungen, nur ganz wenige glückten. Die Fotoplatten aber wurden anschließend von der Hitze des Klimas stark beeinträchtigt. Die Auswertung der Ergebnisse war darum äußerst diffizil – und leider gar nicht eindeutig.

Dann aber ließ Eddington ein den gewünschten Ergebnissen widersprechendes Foto einfach weg (erst im Nachhinein stellte sich dies als gerechtfertigt heraus) und so passte es ganz gut: Einstein hatte eine Ablenkung des Sternenlichts von 1,7 Bogensekunden vorausgesagt und etwa dieser Wert konnte nun aus den Messdaten herausinterpretiert werden.

Eddington reiste nach London und präsentierte seine Ergebnisse am 06.11.1919 vor der Royal Society. Die führenden Physiker der Welt waren anwesend, darunter auch der berühmte, 84-jährige Lord Kelvin.

Eddington machte seine Sache gut, er trat entschieden und überzeugend auf und referierte, dass seine Messungen die neue Gravitationstheorie von Einstein bestätigten. Diese Aussage hatte eine ungeheure Wirkung: Wenn Einstein recht hatte, galt im Universum nicht die Newtonsche Physik, sondern die Einsteinsche!

Alle Anwesenden waren sich der Dimension dieser wissenschaftlichen Umwälzung bewusst, und einige der älteren Koryphäen verweigerten prompt ihre Zustimmung, Lord Kelvin verließ sogar erschüttert den Raum. Doch die anderen reagierten enthusiastisch.

Am nächsten Tag titelte die New York Times: „Einsteins Theorie triumphiert“ – und darunter: „Sterne nicht dort, wo erwartet, aber niemand muss sich Sorgen machen.“

Ab diesem Moment hatte sich Einsteins Theorie durchgesetzt.

Psychologie entscheidet über richtig oder falsch

Dass die Messergebnisse damals durchaus anzuzweifeln waren? Egal. Dass die Überzeugungskraft der Ergebnisse ganz wesentlich von Eddingtons Präsentationskünsten abhingen? Ach, kommen Sie! Dass kaum einer die Theorie überhaupt verstand? Was soll’s! Und dass man bis heute die von Einsteins Theorie vorhergesagten und in der Natur gemessenen Ergebnisse auch ganz anders interpretieren kann, als es Einstein und alle anderen Wissenschaftler damals und auch bis heute tun? Geschenkt!

Anstatt nämlich die Ablenkung mit einer Raumkrümmung zu interpretieren, können Sie auch genauso gut eine variable Lichtgeschwindigkeit annehmen. Einstein selbst hatte diese Idee 1911 sogar erwähnt. Die Wissenschaft hat diese vielleicht beste Idee des 20. Jahrhunderts seitdem konsequent übersehen. Sie würde eine einfachere und logischere Interpretation der Allgemeinen Relativitätstheorie ermöglichen, die die kosmologischen Daten viel besser beschreibt. Aber seit dem Triumph in der Royal Society von 1919 interessiert das niemanden.

Denn die ganze Wahrheit ist: Ob eine physikalische Theorie als richtig oder falsch gilt, hängt im Wesentlichen von einem soziologischen und psychologischen Prozess unter den Experten ab.

Glauben Sie’s oder glauben Sie’s nicht!