WENN DIE PHYSIK ZUR SÜSSIGKEITENSCHACHTEL WIRD

Sie kennen doch sicherlich M&M’s und Smarties. Diese Schokolinsen, die mit bunten Zuckerüberzug daherkommen und von denen manche behaupten, sie könnten den Unterschied in der Farbe schmecken. Ganz ähnlich wie eine Packung M&M’s kommt mir die Physik manchmal vor – jedenfalls dann, wenn es um Quarks geht.

Quarks – ist das was zum Essen?

Die Welt der Quarks ist bunter als die der M&M’s – und fast ebenso beliebig. Es gibt sie in drei Farben: rot, grün und blau. Und in sechs Geschmacksrichtungen: up, down, strange, bottom, top und charm. Und Überraschung: Laut Teilchenphysikern können Sie die bunten Teilchen sogar essen. Sie kommen sogar gar nicht umhin, sie zu essen. Denn Quarks sind angeblich – neben weiteren Teilchen – die grundlegenden Bausteine, aus denen Materie aufgebaut ist. Mhm, lecker.

Eines stößt mir aber sauer auf: Diese kulinarischen Köstlichkeiten wurden nicht durch Experimente entdeckt wie beispielsweise die Elektronen oder der Atomkern. Die Evidenz für Quarks ist viel „indirekter“, kurz gesagt: Physiker haben ihre Existenz einfach angenommen.

Nicht erklärbar? Das muss ein Teilchen sein.

Der Hochenergiephysiker und Wissenschaftshistoriker Andrew Pickering berichtet davon detailliert in seinem großartigen Buch „Constructing Quarks“. Das Muster ist immer das gleiche: Beobachten die Teilchenphysiker in ihren Experimenten etwas, das sie nicht erklären können, postulieren Sie ein Teilchen, dass genau die Eigenschaften hat, die die Lücke füllen. Ist ja prima …

Diesem Beispiel folgen die “modernen“ Forscher seit Jahrzehnten, was unter anderem zu Geschmacklosigkeiten wie den Quarks mit ihren unüberschaubar vielen Varianten und bizarren Eigenschaften führte. Stellen sie sich vor: „Teilchen“, die nie als solche einzeln vorkommen. Demokrit hätte sich im Grab umgedreht. Weil Pickerings Buch den Finger in solche Wunden legt, versteht man, warum es unter Teilchenphysikern recht unbeliebt ist.

Schlank und einfach statt bunte Vielfalt

Ich finde ja: Die Physik sollte die Produktion bunter Vielfalt doch besser den Süßigkeitenproduzenten überlassen und sich lieber darauf konzentrieren, ihre Modelle schlank und einfach – und vor allem: nachprüfbar – zu gestalten. Aber davon sind sie leider weit entfernt.

David Gross, der 2004 einen Nobelpreis für seine Arbeit an dem Quarkmodell erhielt, verließ ein Interview mit mir auch leicht angesäuert, als das Thema auf Pickerings Buch kam – vielleicht hätte ich ein paar M&M’s mitbringen sollen?