NATURKONSTANTEN – EINE GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFT

Heute muss ich Ihnen noch ein paar Illusionen über Naturkonstanten rauben. Ich bin ein echter Naturwissenschaftler und das ist auch schon das Problem: Man kann sich nicht damit zufriedengeben, Zahlen von der Natur „serviert“ zu bekommen, die nicht weiter begründet sind. Ein Naturwissenschaftler will sie verstehen, letztlich berechnen.

Klingt logisch? Ja, finde ich auch. Die Liebhaber der Naturkonstanten sehen das aber scheinbar anders.

Die Liebe zu Naturkonstanten

Über den Sinn und Unsinn von Naturkonstanten – von nicht berechenbaren, willkürlichen Zahlen – diskutierte bereits Albert Einstein in einem Briefwechsel mit der Philosophie-Doktorandin Ilse Rosenthal-Schneider (nein, mit ihr hatte er keine Affäre):

„Ich kann mir keine einheitliche und vernünftige Theorie vorstellen, die explizit eine Zahl enthält, welche die Laune des Schöpfers ebenso gut anders hätte wählen können.“

Sie können Einsteins Aussage auch so formulieren: Warum sollte die Natur einer x-beliebigen Zahl eine besondere Bedeutung zuordnen? Das wäre ja wie in der Liebe: Dich unter den Millionen anderen Menschen finde ich toll, einfach darum. Offensichtlich wäre dies irrationales Denken, das Einstein zuwider war.

Und damit war er nicht allein: Alle großen Physiker sahen die Notwendigkeit, die Liebe zu solchen Zahlenwerten zu hinterfragen. Paul Dirac verachtete geradezu alle Versuche, das Rätsel unter den Tisch zu kehren. Oft fragte er junge Theoretiker, die ihn mit neuen Ideen aufsuchten, nach dem Ursprung der Feinstrukturkonstante – nur eines von mehreren Beispielen für solch zufällige Naturkonstanten. Hatten die Nachwuchswissenschaftler sich damit noch nicht beschäftigt, schickte er sie konsequent – und reichlich lieblos – nach Hause.

Und auch Richard Feynman, Nobelpreisträger von 1965 und unangefochtene Ikone der Nachkriegsphysik, schrieb noch 1985 in seinem Buch QED: The Strange Theory of Light and Matter über denselben Fall von Naturkonstanten: „Alle guten theoretischen Physiker schreiben sich diese Zahl an die Wand und grübeln darüber nach.“

Ein schlechter Tag für Zeus

Das mag in Ihren Ohren nun reichlich anstrengend klingen. Sich nie ganz auf die Liebe zu Naturkonstanten einzulassen, stets weiter darüber nachzugrübeln, andere Ansätze zu suchen. Doch genau das macht Wissenschaft letzten Endes aus. Ein Akzeptieren von unerklärten Zahlen als „Naturkonstanten“ wäre eine Regression in vorwissenschaftliches Denken, im Grunde nicht weit entfernt von antiken Völkern, die unerklärte Phänomene den Launen der Götter zuordneten. Ein Blitz? Oooh Zeus muss heute einen schlechten Tag haben! Vielleicht hat er sich mit seiner Hera gestritten?

Dabei würde ich mir wünschen, dass Zeus wirklich mal einen richtig miesen Tag hat. Nämlich den Tag, an dem ein paar mehr Physiker kapieren, dass es ihre Aufgabe ist, den Blitz hinter Zeus zu erklären, nicht nur zu beschreiben.

Niemand mit wachem Verstand wird sich endgültig mit der Vorstellung abfinden, die Natur habe uns mit Zahlen der Art 137,035999… beglücken wollen, die prinzipiell nicht zu berechnen sind. Von diesen Prinzipien der Denkökonomie hat die gegenwärtige liebesblinde Physik jedoch leider ziemlich Abschied genommen.

Naturkonstanten, ich mach’ Schluss!

Die traurige Wahrheit ist nämlich, dass die Standardmodelle der Teilchenphysik und der Kosmologie heutzutage geradezu verknallt sind in Naturkonstanten. Dutzende (!) von unerklärten Zahlen werden darin schlicht akzeptiert – und bei all der Liebe auch noch sorgsam aufgebläht mit unerklärlichen Phänomenen wie der dunklen Materie, der dunklen Energie oder der „Inflation“. Zum Verständnis in der Wissenschaft tragen diese Konzepte allerdings allesamt nicht wirklich bei. Höchstens eben zur rosaroten Brille, mit der sich die Forscher alles schön zurechtbiegen …

Elementare Logik legt unter diesen Umständen den Verdacht nahe, dass wir eben etwas noch nicht kapiert haben – und es wäre wohl auch unangebrachte Hybris, diese Möglichkeit auszuschließen. Manche Liebesbeziehungen nehmen eben auch einmal ein Ende. Und ganz ehrlich, liebe Naturkonstanten, so richtig geklappt hat es zwischen uns doch schon länger nicht mehr, oder?

WENIGER IST MEHR – AUCH IN DER PHYSIK

Kosmologische Theorien werden immer dicker. Lässt sich eine Theorie nicht glaubhaft erklären, erdenken die Forscher einfach irgendwelche Hilfsmittelchen, die ihre Theorie plötzlich stimmig macht. Ein weiteres unnötiges Pfund auf der Waage.

Viele Physiker und Kosmologen bedienen sich bis heute dieser Methode: Wenn eine Theorie noch nicht schlüssig ist, einfach eine Konstante, ein unentdecktes Teilchen oder Ähnliches dazuerfinden, um das Problem zu lösen – ganz egal, ob es sich nachweisen lässt oder nicht.

Wenn Sie einmal genau hinschauen, beging die erste Sünde dieser Art schon Sir Isaac Newton, als er im Rahmen des Gravitationsgesetzes die Anziehungskraft zweier Körper beschrieb. Denn um seine Berechnung der Gravitationskraft stimmig zu machen, musste er die Gravitationskonstante. postulieren. Das ist ein fester Zahlenwert, der durch die Theorie jedoch nicht erklärt werden kann. Newtons Leistung bleibt trotzdem phänomenal – aber aus methodischer Perspektive ist eigentlich schon die Konstante G eine zu viel.

Schlankheitskur für das Gravitationsgesetz

Ich schlage da etwas anderes vor: eine radikale Schlankheitskur für die Theorien der Physik.

Ernst Mach hatte beispielsweise einen Einfall, wie das Gravitationsgesetz etwas abspecken könnte: Wenn die Stärke der Gravitationskraft von der Gesamtmasse des Universums abhinge, würde die Gravitationskonstante überflüssig, weil es dann eine Erklärung für den Wert gäbe, der hinter dieser Zahl steckt. Leider war Mach seiner Zeit so weit voraus, dass niemand die Idee schätzte.

Außerdem braucht es noch eine weitere Voraussetzung: Die Lichtgeschwindigkeit müsste veränderlich sein. Was die Gravitation mit der Lichtgeschwindigkeit zu tun hat? Machen Sie dazu einen Ausflug in die 60er Jahre, als der amerikanische Astrophysiker Robert Dicke die geniale Idee Machs aufgriff und endlich in einer Formel ausdrückte: Die Summe aller Gravitationspotenziale des Universums könnte genau dem Quadrat der Lichtgeschwindigkeit entsprechen. Viele bekannte Widersprüchlichkeiten der Kosmologie erschienen dadurch in einem ganz anderen Licht … aber die Kosmologen müssten sich erst einmal damit beschäftigen.

Revolutionäre Ideen ausschöpfen

Glücklicherweise ist die Idee einer variablen Lichtgeschwindigkeit gar nicht so weit gefehlt. Denn die von Einstein entwickelte allgemeine Relativitätstheorie kann entweder durch einen gekrümmten Raum oder durch eine variable Lichtgeschwindigkeit beschrieben werden. Beide Möglichkeiten sind rechnerisch äquivalent, kommen also über einen anderen Weg auf die gleichen Ergebnisse. Und alle modernen Tests, die es heute dazu gibt, werden von beiden Möglichkeiten korrekt beschrieben – das wurde inzwischen ausführlich gezeigt. Ziemlich tragisch also, dass Einstein die Möglichkeit der variablen Lichtgeschwindigkeit nicht weiterverfolgt hat und sie mittlerweile beinahe komplett in Vergessenheit geraten ist.

Ich wünschte mir ja, Forscher würden sich dieser Ideen annehmen und ihr revolutionäres Potenzial ausschöpfen. Wer weiß, was für ein ungeborgener Schatz da noch zu finden ist …

IST EINE PHYSIK OHNE NATURKONSTANTEN MÖGLICH?

Wenn Sie sich in Ihrer Welt umschauen, dann werden Sie vermutlich drei fundamentale Größen erkennen: Raum, Massen und eine zeitliche Abfolge von Ereignissen. Die Physik versucht seit ihrem bestehen, die Welt mit diesen drei fundamentalen Begriffen zu beschreiben – und scheitert dabei immer wieder. Auch jetzt steht ein solches Scheitern wieder bevor. Die Frage ist, was von der modernen Physik übrig bleibt, wenn diese Krise durch ist.

Die letzte Krise der Physik

Fragen Sie ruhig, wie es dazu kommen konnte. Schließlich behauptet die moderne Physik von sich, streng logisch aufgebaut und die exakteste Wissenschaft aller Zeiten zu sein. Und das stimmt: Die Exaktheit der Messmethoden, die heute erreicht wird, ist wirklich unglaublich. Die physikalische Theoriebildung hinkt diesen Spitzenleistungen jedoch leider weit hinterher.

Je mehr die Astronomen mit den immer größer und leistungsfähiger werdenden Teleskopen vom Weltall entdeckten und je größer die Dimensionen wurden, desto klarer stellte sich heraus, dass die Formeln Newtons hier nicht funktionierten. Und auch je weiter die Physik ins Kleinere vordrang, desto offensichtlicher wurde es, dass sich die Welt der Elementarteilchen nicht mit Newtons Theorie beschreiben lässt.

Einsteins Relativitätstheorie konnte diese Probleme in den großen Dimensionen und der Quantentheorie in der Teilchenwelt mehr oder weniger reparieren. Sie behielten jedoch die Gravitationskonstante G bei, die Newton eingeführt hatte, und es kamen noch zwei weitere Naturkonstanten dazu: c, die (endliche) Lichtgeschwindigkeit aus der Relativitätstheorie und h, das Plancksche Wirkungsquantum (bekannt auch durch die Heisenberg’sche Unschärferelation in der Quantentheorie und durch das Vorkommen in der Feinstrukturkonstante).

Diese drei fundamentalen Konstanten G, c und h benötigen wir nach wie vor zur Definition von Größen wie Kilogramm, Meter und Sekunde. Formal geschieht dies über die sogenannten Planck-Einheiten, die im Übrigen keine große Bedeutung haben. Es lässt sich jedoch abkürzen: Um überhaupt von den Einheiten m, s und kg sprechen zu können, müssen c (m/s), h (kg m²/s) und G (m³/s² kg) geeignet kombiniert werden.

Anzeichen der neuen Krise

Diese drei Naturkonstanten zeigen unmissverständlich an, dass die Physik im Kleinen wie im Großen etwas Grundlegendes noch nicht verstanden hat. Schon Einstein war davon überzeugt, dass echter Erkenntnisgewinn nur durch die Eliminierung dieser Konstanten zu gewinnen wäre. Aber statt sich mit diesem brennenden Thema zu befassen, bemüht sich die Physik seit gut 80 Jahren mehr und mehr um mystische Legendenbildung. Ja, so drastisch muss ich das formulieren.

Die Kosmologie bläht ihr Standardmodell mit unerklärlichen Phänomenen wie der dunklen Materie, der dunklen Energie oder auch dem Urknall mit der Inflationsphase auf – allesamt Konzepte, die in der Wissenschaft nicht wirklich zum Verständnis beitragen.

Auf der anderen Seite, im Kleinen, jagt die Teilchenphysik mit immer größeren, immer teureren Apparaturen wie den Large Hadron Collider am CERN immer kleineren Elementarteilchen hinterher, ohne über die zu Hauf postulierten Teichen irgendeine nachprüfbare Aussage machen zu können – auch hier also allerhand Mystifizierung.

Das ganze mutet an wie die Anbetung des goldenen Kalbes vor den zehn Geboten. Und genau das fehlt der Physik heute: Ein neues Gesetz, dass der Götzenanbetung ein Ende bereitet.

Licht im Dunkel?

Einen Ansatz dazu entwickelten geniale Physiker wie Robert Dicke, Dennis Sciama und Paul Dirac aus einer von Einstein nicht weiter verfolgten Hypothese einer variablen Lichtgeschwindigkeit. Robert Dicke konnte so die Gravitationskonstante G eliminieren und in einen berechenbaren und erklärbaren Wert umwandeln. Sciama und Dirac arbeiteten unabhängig an derselben Idee und konnten weitere wichtige Anhaltspunkte liefern, wohin die Reise in Zukunft gehen könnte.

Dass das Gros der Physiker diese Ansätze, die endlich Licht ins Dunkel der unerklärbaren Phänomene bringen könnten, bisher unter den Teppich kehren, beschreibt das Ausmaß der Krise, in der sich die moderne Physik befindet. Sie dürfen also gespannt sein, wann der Knoten platzt und die Physiker sich wieder mit den grundlegenden Problemen der Weltbeschreibung befassen.

Die Frage ist allerdings, wohin wir dann mit den neuen Theorien kommen. Stellen sich Zeit und Raum als von unseren Sinnen erzeugte Illusionen heraus? Erweisen sich die grundlegenden Eigenschaften der Materie „Masse“ und „Trägheit“ als durch alle Materie des gesamten Kosmos bestimmte Größen heraus, wie das der visionäre Denker Ernst Mach vermutet hatte?

Ob die Wissenschaft auf diesem Weg zu einer noch grundlegenderen Theorie gelangt, können wir letztlich nicht wissen. (Wohl erst, wenn h und c auch eliminiert wurden.) Aber auf die nächste Revolution dieser Weltbeschreibung dürfen Sie sich trotzdem freuen. Sie wird ein weiteres Mal unser Weltbild vom Kopf auf die Füße stellen.

DAS THEMA, DAS EINEN NOBELPREIS VERDIENT

„Alle guten theoretischen Physiker hängen sich diese Zahl (137,035999..) an die Wand und zerbrechen sich den Kopf darüber!“

Was für eine Ansage vom Nobelpreisträger Richard Feynman. Aber was ist das eigentlich für eine mystische Zahl, die er für so wichtig hält? Und warum ist sie so bedeutend, dass er sie quasi zu einem Hauptthema der theoretischen Physik macht? Etwas ist hier komisch …

Mysteriöse Konstanten – wo kommen sie her?

In der Physik existieren unterschiedliche Arten von Konstanten. Einerseits konkrete Messwerte, wie z.B. die Erdbeschleunigung g = 9,81m/s2, die für jeden der abermilliarden Himmelskörper anders ist. Andererseits gibt es auch Zahlen, von denen die Physiker annehmen, dass sie im ganzen Universum gelten, wie z.B. die Gravitationskonstante G = 0,0000000006673 m³/s2 kg. Die Einheiten Meter (m), Sekunde (s) und Kilogramm (kg) haben Wissenschaftler jedoch willkürlich festgelegt, weshalb der reine Zahlenwert dieser Konstanten für das Universum keine Bedeutung hat.

Die mysteriöse Zahl, von der Richard Feynman sprach, gehört allerdings zu den Zahlen ohne Einheit, von denen die Physiker fast sicher sind, dass sie im ganzen Weltall gelten – sogenannte Naturkonstanten. Sie entstehen aus der Kombination zweier oder mehrerer der oben genannten Konstanten, wobei sich alle Dimensionen wie Länge, Gewicht oder Zeit herausrechnen. Bis heute weiß jedoch niemand, warum sie ihre bestimmten Werte annehmen. Dennoch gibt es die Vermutung, dass sie der Schlüssel zum Verständnis der Welt sind.

Eine Frau stellt kluge Fragen – Einstein antwortet

Diese mysteriösen Naturkonstanten beschäftigten auch Ilse Rosenthal-Schneider, eine der wenigen Frauen in der Wissenschaft zu Lebzeiten Einsteins. Auch wenn der Wortlaut ihrer Fragen an ihn leider nicht überliefert sind – seine Antworten sind erhalten geblieben:

„Ich kann mir keine einheitliche und vernünftige Theorie vorstellen, die explizit eine Zahl enthält, welche die Laune des Schöpfers ebenso gut anders hätte wählen können.“

Er war überzeugt, dass Physiker Wege finden können, die Konstanten berechenbar und somit erklärbar zu machen – z.B. indem sie auf mathematische Grundzahlen wie Pi oder die Eulersche Zahl e zurückgeführt werden. Für die Gravitationskonstante G vermutete der Philosoph und Physiker Ernst Mach beispielsweise, dass sie von allen Massen des Universums abhängt, also aus ihnen berechenbar sein sollte.

Einstein ist also derselben Meinung wie Feynman, der gegenüber seinen Kollegen betonte, wie wichtig das Thema ist. Die Auflösung einer solchen Naturkonstante durch Berechnung wäre ein echter Erkenntnisgewinn würde die Physik revolutionieren.

Und was macht die moderne Physik daraus?

Leider interessieren sich heute kaum noch Physiker für diese Zahlen. Im Gegenteil: Der schnelle technische Fortschritt hat die Beobachtungsmöglichkeiten z.B. in der Astronomie und der Teilchenphysik so weit verbessert, dass sogar immer mehr solcher unerklärbaren Konstanten in den Modellen auftauchen. Doch anstatt sich dieser Konstanten anzunehmen und sie verstehen und erklären zu wollen, tun die Theoretiker die mystischen Zahlen mit noch mysteriöseren Theorien ab. Die Theorie der Paralleluniversen ist da nur ein Beispiel. Sie behauptet: Wir lebten eben just in dem Universum, wo sich alles zufällig so zusammenfügt, dass genau diese Zahlen dabei herauskommen. In anderen, parallelen Universen seien es wiederum ganz andere Werte. Was für ein Blödsinn.

Damit ist natürlich nichts erklärt und nichts gewonnen, außer einer gehypten Publicity-Story. Viele, die sich heute Physiker nennen – Lawrence Kraus, Lisa Randall oder Max Tegmark – sind in Wirklichkeit zu Märchenonkels und -tanten geworden. Was für eine dunkle Zeit der Wissenschaft! Die Physik könnte so viel mehr erreichen. Ich tröste mich da meistens mit der Lektüre eines alten Artikels von Schrödinger, Einstein oder Mach. Die haben immer noch mehr zu sagen über echte Physik.

AUSWANDERN IN DIE PARALLELWELT?

Etwas stimmt nicht in unserem Universum.

Wirklich, ich meine das ganz ernst. Immer wieder stoßen Physiker auf Messergebnisse, die nicht mit den Vorhersagen der bestehenden Theorien übereinstimmen. Für solche Fälle haben sie ihre Standardmodelle inzwischen mit zahlreichen Zahlenwerten – sogenannten Konstanten – verziert, die dann den Messungen angepasst werden können. Et voilà, die Welt stimmt wieder mit der Theorie überein.

Wenn das für Sie wenig überzeugend klingt, wird es Sie vielleicht beruhigen, dass auch in der Physik schon seit Längerem eine Debatte darüber entbrannt ist, wie es sein kann, dass das Universum über diese vielen Konstanten so wunderbar abgestimmt ist. Schließlich sprechen wir hier von Zahlen, die nichts erklären und scheinbar willkürlich vom Himmel gefallen sind.

Das fantastische Multiversum

Einen Ausweg will der Physiker Max Tegmark in seinem Buch „Our Mathematical Universe“ gefunden haben. Es handelt vom Multiversum, wie er es nennt. In seiner Vorstellung gibt es nicht nur ein Universum, sondern ganz viele. Jedes dieser Universen ist anders abgestimmt und folgt anderen Gesetzen. Solche, bei denen die Abstimmung nicht funktioniert, kollabieren. Unser Universum ist netterweise eines von denen, wo die Feinabstimmung ein Fortbestehen dieser Welt ermöglicht hat. Das führte, wie Sie wissen, sogar zur Entwicklung von mehr oder weniger intelligenten Lebewesen. Die Frage ist, ob Tegmark zu ersteren gehört.

Denn wir hätten es also mit einem natürlichen Auswahlverfahren für Universen zu tun. Da ist eben alles möglich – einfach fantastisch, wie sich handfeste physikalische Probleme in Luft auflösen, wenn nur ein findiger Geist sich damit beschäftigt.

Schade nur, dass wir nie nachprüfen können, ob wirklich etwas dran ist an dieser Multiversums-Idee, denn die anderen Universen sind ziemlich weit von uns entfernt, so dass wir noch einige Millionen oder Milliarden Jahre darauf warten müssten, bis die ersten Lichtquanten von ihnen bei uns ankommen. Nachgeprüft werden kann also mal wieder nichts.

Abenteuer oder Bodenständigkeit?

Was bleibt also von dem, was Tegmark oder auch andere Propheten wie Lisa Randall und Lawrence Krauss anbieten? Eine reichlich komplizierte und sehr spekulative Geschichte über die Entstehung und das Wesen dieser Welt, in der Sie leben. Die können Sie glauben oder auch nicht. Mitbewerber sind dabei zum Beispiel das wesentlich ältere, aber deutlich leichter zu verstehende 1. Buch Mose des Alten Testaments, die indischen Upanischaden und all die anderen Schöpfungsmythen, von denen ja jede Kultur mindestens eine hervorgebracht hat.

Eines haben alle diese Mythen gemeinsam: Sie sind nicht falsifizierbar und daher eine nie versiegende Quelle von Diskussionen, die zu nichts führen.
Wenn Sie allerdings Theorien wollen, die einen Teil dieser Welt messbar machen, erklären, wie er funktioniert, und so letztendlich auch technischen Fortschritt ermöglichen, wie zum Beispiel die Quantenphysik den Microchip, dann sollten Sie sich woanders umsehen. Albert Einstein kann Ihnen beispielsweise noch eine brillante Idee anbieten, die heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Ich beschreibe sie in meinem neuen Buch „Einsteins verlorener Schlüssel: Warum wir die beste Idee des 20. Jahrhunderts übersehen haben“.

Aber ich muss Sie warnen: Gegenüber dem Multiversum wirkt diese Idee geradezu bodenständig und unspektakulär. Wer mehr Science-Fiction braucht, der sollte vielleicht in eines unserer Nachbaruniversen auswandern, wo die Feinabstimmung zu abenteuerlicheren Möglichkeiten geführt hat als in unserem Universum. Aber bitte vergessen Sie nicht, mir eine E-Mail zu schicken, wenn Sie angekommen sind.